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25. April 2024

Offener Brief an den Bundesminister für Gesundheit

Alarmierende Entwicklung: Herr Minister Lauterbach, stoppen Sie die Abschaffung der Einzelfallprüfung für Krankenhausrechnungen!

 

 

Sehr geehrter Herr Minister Lauterbach,

wir sind zutiefst besorgt über den Referentenentwurf für das Gesetz zur Verbesserung der Versorgungsqualität im Krankenhaus und zur Reform der Vergütungsstrukturen (KHVVG). Die darin geplante Abschaffung der Einzelfallprüfung von Krankenhausrechnungen und die stattdessen geplante Einführung einer Stichprobenprüfung bergen eine erhebliche politische und gesellschaftliche Sprengkraft: Sie kommen einer Einladung an Krankenhäuser zur Falsch­abrechnung gleich. Die Folge: erhebliche finanzielle Verluste für die gesetzlichen Kran­kenkassen – der GKV-Spitzenverband geht nach vorsichtigen Hochrechnungen bis­heriger Falschabrechnungen von dreistelligen Millionenbeträgen jährlich aus – und weiter steigende Beiträge für die Versicherten.

Wie schon in der Vergangenheit beschrieben, birgt die bereits vor rund 4 Jahren erfolgte (im Rechts- und Geschäftsverkehr aus gutem Grund beispiellose) Einschränkung der Abrech­nungsprüfungen das Risiko systematischer Falschabrechnungen. Eine vollständige Abschaf­fung der Einzelfallkontrollen würde die Unwucht im System zwischen erlösausgerichteter Leis­tungserbringung und wirtschaftlicher Mittelverwendung weiter verstärken, statt eine Balance herzustellen.

Man stelle sich nur einmal beispielhaft vor, Autowerkstätten oder Sanitärfachleute würden so arbeiten: Schaden in Augenschein nehmen, Reparatur ohne vorheriges Angebot erle­di­gen, anschließend eine Rechnung nach beliebigem Ermessen stellen und ohne weitere Erklä­rung das Geld überwiesen bekommen. Nur stichprobenartig dürften Verbraucher*innen die Rechnungen kontrollieren. Vielleicht müssten die Handwerksbetriebe z.B. 5 Prozent aller Rech­nungen erläutern und begründen. 19 von 20 Betrieben könnten also damit rechnen, nach Belieben Leistungen zu erbringen und vor allem auch nach Belieben abzurechnen. Wenn bei der Kontrolle eine überhöhte Rechnung auffällt (weil z.B. nicht erbrachte Leis­tun­gen abgerechnet oder erbrachte Leistungen zu hoch fakturiert werden), riskiert der Hand­werks­betrieb nicht mehr als ein geringes Bußgeld. Obgleich sicher viele Menschen sich soli­da­risch verhalten, korrekt arbeiten und auch ordnungsgemäß abrechnen würden – denken Sie nicht auch, dass erstaunlich viele Bremsbeläge oder Dichtungen auf der Rechnung stün­den, Ölwechsel häufig sehr früh „erforderlich“ würden oder Wasserhähne überraschend oft „verschlissen“ wären? Das bedeutet für das GKV-System: Wenn jede Krankenhausrechnung durchschnittlich (nur) € 200 überhöht ist, beläuft sich die unberechtigt von der GKV zu zah­lende Summe bei über 16,8 Mio. Krankenhausfällen (2022 gemäß Destatis) auf mehr als € 3,36 Milliarden jährlich!

Fazit: Eine Stichprobenprüfung ist bei Weitem nicht ausreichend, um die Fehlerrate und den potenziellen Missbrauch bei den Abrechnungen zu erfassen. Durch die Abschaffung der sys­tematischen Überprüfung riskieren Sie, dass Millionen Euro an Beitragsgeldern leichtfertig ver­schwendet werden und wichtige Ressourcen für dringend benötigte medizinische Leis­tun­gen sowie eine gerechte Gesundheitsversorgung der Bevölkerung verloren gehen.

Als Arbeitsgemeinschaft, die sich auf die Überprüfung von Krankenhausrechnungen für ge­setzliche Krankenkassen spezialisiert hat und nicht gewinnorientiert arbeitet, kennen wir die Fallstricke dieses Systems genau. Die Sorgen der Kassenvorstände über ständig steigende Krankenhauskosten erleben wir aus nächster Nähe. Bereits jetzt machen die Ausgaben für sta­tionäre Fälle rund ein Drittel der GKV-Leistungsausgaben aus und steigen seit Jahren er­heblich. Die Konsequenzen sind verheerend – für die Kassen, für das GKV-System und vor allem für die Portemonnaies der Bürgerinnen und Bürger. Dem Argumentationspapier des BKK Dachverbands vom 12. April 2024 stimmt casusQuo deshalb uneingeschränkt zu.

Was uns außerdem große Sorge bereitet: Die systematische Einzelfallprüfung, mit der die Kassen ihrem gesetzlichen Auftrag zur wirtschaftlichen Mittelverwendung nachkommen, dient nicht nur dem Schutz der Beitragszahlenden vor unnötigen Kosten und Missmanage­ment. Sie trägt auch dazu bei, das Vertrauen in unser Gesundheitssystem aufrechtzu­er­hal­ten. Indem Sie diese wichtige Kontrollinstanz schwächen, laufen Sie Gefahr, das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Integrität und Transparenz der Gesundheitsverwaltung zu untergraben.

Wir bitten Sie dringend, auf jene zu hören, die täglich mit den Konsequenzen von Falschabrechnungen konfrontiert sind:

Hans-Walter Schneider, Vorstand BKK Pfalz: „Wenn wir künftig im Einzelfall nicht mehr prü­fen dürfen, ob das Krankenhaus die abgerechnete Leistung auch tatsächlich erbracht hat, führt das zu einem Wettbewerbsnachteil für die Krankenhäuser, die schon immer gute Qua­lität abliefern. Die Einschränkung der Prüfung der Leistung passt überhaupt nicht zu einem Gesetz, das die Qualität der Versorgung im Krankenhaus verbessern möchte.“

Thomas Johannwille, Vorstand Bertelsmann BKK: „Wir als BKK sind seit jeher eng mit unse­rem Trägerunternehmen verbunden. Deshalb sind wir besorgt über die zu erwartenden Bei­tragssteigerungen. Denn in Zeiten wirtschaftlicher Stagnation sind steigende Lohnneben­kosten für alle Unternehmen eine zusätzliche Belastung.“

Nicole Müller-Coonan, Vorständin BKK Mahle: „In unserer Rolle als „Anwalt der Versicher­ten“ wollen wir für unsere Versicherten eine gute, nicht nur eine teure medizinische Ver­sor­gung. Wir sind zur treuhänderischen Verwaltung und Verwendung der Beiträge ver­pflich­tet. Be­handlungen, die nicht erforderlich sind, möchten wir im Sinne der Solidar­gemein­schaft ver­hindern.“

Frank Heine, Vorstand energie-BKK: „Die Ablösung der bisherigen Einzelfallprüfungen von Krankenhausrechnungen durch neue Stichprobenprüfungen ist ein risikoreiches Experiment fernab der Realität. Erfahrungen und Ergebnisse belegen, dass der GKV ohne eine effiziente Einzelfallprüfung beitragssatzrelevante Mehrausgaben entstehen werden, die von der Ver­si­chertengemeinschaft zusätzlich zu tragen sind.“

Tobias Mittmann, Vorstand BKK24: „Als BKK ist wirtschaftliches Handeln Bestandteil unserer DNA. Wenn die Einzelfallprüfung wegfällt, wird uns ein wesentliches Werkzeug für diese Ar­beit genommen. Mit Blick auf die Beitragsentwicklung kann dies doch nicht im Interesse der Gesundheitspolitik sein!“

Wolfgang Allgaier, Vorstand BKK Scheufelen: „Mir ist kein anderes Business bekannt, wo Rechnungen prinzipiell ungeprüft bezahlt werden. Das im Sozialgesetzbuch verankerte Wirtschaftlichkeitsgebot wird damit ad absurdum geführt.“

Harri Ackermann, Vorstand BKK Deutsche Bank: „Schon für das laufende Jahr sind bei vielen Krankenkassen die Haushaltspläne sehr eng geplant. Die Bundesregierung kann sicher kein Interesse an explodierenden Krankenversicherungsbeiträgen ab 2025 haben!“

Sehr geehrter Herr Minister Lauterbach, stoppen Sie die Abschaffung der Einzelfallprüfung, bevor es zu spät ist!

Mit eindringlichem Appell und freundlichen Grüßen

Udo Halwe
Geschäftsführer

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